Amore (Klaus Lemke, BR Deutschland 1978)

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Klaus Lemke ist der Bad Boy des deutschen Films. Der Mann mit den breitbeinigen Sprüchen gegen das Förderkino, der letzte Film-Guerilla, der Kiez-Rebell, der seine White-Trash-Diven im Nachtleben aufgabelt und dann in kleinen Impro-Filmen fürs ZDF zu großen Kinostars erklärt. Der Mann, der „Rocker“ gedreht hat.

Kennt man, stimmt ja auch alles. Nur gibt es eben nicht nur diesen einen Klaus Lemke, sondern viele Lemkes. Den poetischen, den verkifften, den hippen, den zärtlichen, den witzigen, nicht zuletzt: den Cleo-Kretschmer-Lemke.


Cleo Kretschmer, die bei Passau als Ingeborg Maria Kretschmer geborene, später in München aufgewachsene Schauspielerin trug eine charmant-rustikale Würze in Lemkes Filme, die zuvor noch – ganz dicht am Zeitgeist um 1970 – von linken Kommunarden, Jet-Set-Models, Kiez-Rockern, Kleinkriminellen und Hippie-Aussteigern handelten. Mit Kretschmer hingegen entdeckte Lemke die Coolness der Uncoolness: den Chic des Provinziellen („Idole“, 1976) oder die burschikos-schlagfertige Renitenz der Münchner Kleinkrämer-Tochter Maria in „Amore“ (1978), der jetzt in der verdienstvollen Reihe „Aus den Fernseharchiven“ im Zeughauskino läuft.

„Der weiß noch nicht, dass er wieder heiraten will, aber wollen tut er schon.“ Mit solchen umgangssprachlich-gefärbten, eher niederbayerisch als münchnerisch klingenden Sätzen spielt sich Kretschmer als Maria in „Amore“ ins Herz des Publikums, während sie ihrem ahnungslosen Filmvater per Annonce eine neue Frau fürs Leben sucht. Eine weitere Frau im Haus ist auch bitter nötig: Maria schmeißt den Laden, hilft beim Einkauf und der Buchhaltung, untersagt dem Vater abends das Bier und zieht ihn morgens aus dem Bett.


Und ihr eigenes Liebesleben? „Da müsste ich mich ja um zwei Männer kümmern“, stöhnt sie genervt. Das passt ziemlich gut in Lemkes Welt, in der sich, entgegen seinem Macker-Ruf, mit die interessantesten und taffesten Frauen der deutschen Filmgeschichte finden – während die Männer bei ihm meist ziemliche Trüblinge sind.

In „Amore“ sind das etwa Wolfgang Fierek als Franz, ein leicht vertrottelter Bundeswehrsoldat mit Honigkuchenpferd-Grinsen, sowie Pietro (Pietro Giardini), ein italienischer „Gastarbeiter“, dessen gebrochenes Deutsch bei Weitem verständlicher ist als Franz’ derb-bayerisches Idiom. Franz nun datet Bärbel (Brigitte Platzer), die ihn aber mit Pietro betrügt, weshalb sie Franz an Maria vererbt, die dann aber, zum Missfallen von Franz und Bärbel, was mit Pietro anfängt, während sie eine Politesse an ihren Vater zu vermitteln versucht. Schrecklich verwickelt, diese Liebesdinge – und nach Venedig geht es, der „Amore“ wegen, schlussendlich auch.

Das ist guter Screwball – wenn auch im lakonisch-bayerischen Tempo. Toll ist der Film nicht nur, aber vor allem wegen Cleo Kretschmer, die sich den Film als heimlicher Star der Münchner Seitenstraßen völlig zu eigen macht und ihrem Regisseur die Hipness-Flausen konsequent austreibt.


Spannend ist der herrlich grobkörnige Film aber auch als Dokument der späten Siebziger: Nicht nur, weil der Putz an den Häusern hier noch schmutzig ist und die Autoradios klapprig-defekte Leuchtschachteln sind, die heute proper hergerichtete Sedanstraße im alten Münchner Arbeiterviertel Haidhausen noch ranzigen Charme verströmt und die Stuben mit nikotingelber Behaglichkeit locken.

Sondern auch weil sich hier die Beharrungskräfte des Alltäglichen auch innerhalb der heute nostalgisch verklärten Siebziger ein Stück weit greifen lassen: In Marias proletarischer Münchner Welt blitzt der Deutsche Herbst nur einmal kurz, in Form einer Zeitungsschlagzeile, die wie von einem anderen Planeten wirkt. Neben vielem anderen ist Klaus Lemke eben auch einer der wichtigsten Chronisten der alten BRD.

(zuerst erschienen in der taz)

Die SZ bringt Hintergründe zum Dreh. Das Deutsche Filmmuseum hat ein Filmgespräch mit Lemke über den Film:

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